Die Schweizerische Epilepsie-Liga vergibt an der gemeinsamen Epilepsie-Jahrestagung in Berlin drei Preise. Der Alfred-Hauptmann-Preis, an dem die drei deutschsprachigen Länder beteiligt sind, wird erstmals in zwei Kategorien und mit einer verdoppelten Preissumme in Höhe von insgesamt €20’000 verliehen. Präsentiert wird auch der mit CHF 25‘000 dotierte Forschungs-Förderungspreis der Epilepsie-Liga.
März 2023 – Vier Jahre nach der letzten Tagung werden sich vom 15. bis 18. März 2023 erstmals wieder über 1000 Teilnehmende aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zur gemeinsamen Epilepsie-Tagung («Dreiländertagung») versammeln. Am 17. März 2023 werden im Henry-Ford-Bau der Freien Universität Berlin die Preise der Schweizerischen Epilepsie-Liga verliehen.
Den Forschungs-Förderungspreis in Höhe von CHF 25’000 erhält Marian Galovic, Universitätsspital Zürich, für sein Projekt «Longitudinal imaging as a biomarker of disease modification in epilepsy (LIBERO)». Mit Hilfe fortschrittlicher Bildgebung analysiert er mit seinem Team den Einfluss von epileptischen Anfällen auf die Gehirnstruktur. Im aktuellen Projekt werden Gehirn-Veränderungen an über 1300 Personen mit Epilepsie und mehr als 250 Gesunden über einen längeren Zeitraum gemessen. Dadurch lässt sich ableiten, wie sich die Einnahme von anfallssuppressiven Medikamenten auf die Gehirnstruktur auswirkt. Ziel ist es, neuroprotektive Medikamente für Epilepsiebetroffene zu finden.
«Idealerweise könnten anhand der Ergebnisse neue Behandlungsmethoden gefunden werden, welche nicht nur Anfälle unterdrücken, sondern auch die Gesundheit des Gehirns verbessern,» sagt Barbara Tettenborn, Präsidentin der Schweizerischen Epilepsie-Liga. «Das wäre ein überfälliger Paradigmenwechsel in der Epilepsiebehandlung», fügt sie hinzu.
Der Alfred-Hauptmann-Preis für die beste wissenschaftliche Arbeit zur Epileptologie in den letzten zwei Jahren aus dem deutschsprachigen Raum ist erstmals mit insgesamt €20’000 dotiert – bisher waren es €10’000. Die eine Hälfte des Preisgelds zeichnet eine Publikation der Grundlagenforschung aus, die andere Hälfte geht in den Bereich klinische Forschung. Möglich ist das dank neuer Sponsoren: Der Preis wird nunmehr von den Firmen UCB-Pharma, Desitin Pharma, Angelini Pharma und Jazz Pharmaceuticals unterstützt.
Den Alfred-Hauptmann-Preis für klinische Forschung erhält Kerstin Alexandra Klotz, die am Universitätsklinikum Freiburg i.Br. arbeitet, für ihre Publikation «Scalp ripples can predict development of epilepsy after first unprovoked seizure in childhood». Auch hier geht es um Biomarker: Nach einem ersten Anfall wird fast immer ein EEG (Elektroenzephalogramm) durchgeführt. Doch die epilepsie¬typischen «Spikes» geben nur grobe Hinweise, ob mit weiteren Anfällen zu rechnen ist. Nach der Untersuchung an 56 Kindern kamen Klotz und ihr Forschungsteam zu dem Ergebnis, dass sogenannte «Scalp Ripples» − rasch oszillierende Rhythmen im EEG – nach einem ersten Anfall eine zuverlässigere Aussage über die Prognose liefern. Zukünftige Forschung könnte diese Biomarker validieren und breit zugänglich machen.
In der Kategorie Grundlagenforschung erhält ein Team vom Institute of Molecular Biotechnology (IMBA) in Wien den Alfred-Hauptmann-Preis: Jürgen A. Knoblich, Nina S. Corsini und Oliver L. Eichmüller für ihre Studie «Amplification of human interneuron progenitors promotes brain tumors and neurological defects». Mit einer innovativen Technologie, sogenannten cerebralen Organoiden, konnten die Forschenden die charakteristischen Merkmale der Tuberösen Sklerose nachstellen. Für diese genetische Epilepsieform konnten sie so die Entstehungsgeschichte aufklären und Chancen für neue Therapiemöglichkeiten eröffnen.
Den Alfred-Hauptmann-Preis verleihen die Deutsche und die Österreichische Gesellschaft für Epileptologie gemeinsam mit der Schweizerischen Epilepsie-Liga alle zwei Jahre. Er ist nach dem deutschen Neurologen Alfred Hauptmann benannt, der 1933 aus Deutschland emigrieren musste.
Publikationen zum Alfred-Hauptmann-Preis:
Kerstin A. Klotz MD, Yusuf Sag, Jan Schönberger MD, Julia Jacobs MD: Scalp ripples can predict development of epilepsy after first unprovoked seizure in childhood. In: Annals of Neurology 89(1): 134-142 (2021). DOI: https://doi.org/10.1002/ana.25939
Eichmüller O.L., Corsini N.S., et al.: Amplification of human interneuron progenitors promotes brain tumors and neurological defects. In: Science 375 (2022). DOI: https://doi.org/10.1126/science.abf5546
Medienmitteilung mit Video: https://www.oeaw.ac.at/imba/research-highlights/news/not-all-brains-are-equal-why-the-human-brain-is-more-vulnerable-to-disease