Eine Warnung mehrere Minuten vor einem drohenden Anfall – für viele Epilepsiebetroffene wäre das ein grosser Gewinn an Lebensqualität. Prof. Klaus Lehnertz ist überzeugt: In einigen Jahren wird das möglich sein. Der Professor für Physik forscht in Bonn auch an der Klinik für Epileptologie.
Klaus Lehnertz blickt gleich doppelt in die Zukunft: Sein Ziel ist es, epileptische Anfälle zu erkennen, bevor sie beginnen. Zudem hält es für möglich, dass Apps und „Wearables“, also moderne Fitnessarmbänder, diese Aufgabe in einigen Jahren übernehmen können. „Das ist ein bisschen Science Fiction, aber nicht ganz“, sagte er auf der Veranstaltung der Epilepsie-Liga in Zürich.
Lehnertz befasst sich nicht allein mit dem Thema, sondern ist mit mittlerweile rund 150 anderen Forschern weltweit vernetzt. Anhand grosser Datenbanken mit anonymen Messergebnissen gibt es regelrechte Wettbewerbe, welches System die Anfälle am besten und frühesten vorhergesagt hätte. „Die Vorboten zeigen sich meistens in der anderen Hirnhälfte als der, wo später der Anfall beginnt“, erzählt Lehnertz, „und sind teilweise schon 20 Minuten vor dem Anfall zu erkennen“.
Liegt das entscheidende Signal in der elektrischen Hirnaktivität, müsste man den Betroffenen einen kleinen Detektor ins Hirn implantieren. Nur so lässt sich die sogenannte EEG-Kurve ständig messen. Verrückt, aber wahr: In Australien wurde das bereits an 15 Personen getestet – mit gemischten Ergebnissen, aber ohne massive Nebenwirkungen.
Doch gibt es noch andere Anzeichen, die auf einen baldigen Anfall hindeuten: Zum Beispiel eine veränderte Herzaktivität, verstärktes Schwitzen oder andere Faktoren, die über die Haut gemessen werden können. Welches das beste Verfahren ist, sei noch ungelöst, sagt Lehnertz. Lassen sich Anfälle dann auch verhindern? Dafür gibt es noch kein Patentrezept – schliesslich verlaufen sie bei jedem Betroffenen ein bisschen anders.
Bereits gibt es handliche Armbänder, die bei einem epileptischen Anfall Alarm schlagen. Für Lehnertz ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie frühzeitig warnen können: „Die Konzepte sind alle da, man muss sie nur zusammenführen.“
Artikel aus Epilepsie-News 3/2017