Der mit 25‘000 Franken dotierte Forschungs-Förderungspreis der Epilepsie-Liga 2019 kommt jungen Menschen zugute: Dr. phil. Martina Hubacher untersucht am Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB) das Thema «The absent mind – Neurokognition und Schlaf bei Jugendlichen mit Absence-Anfällen». Der Promotionspreis geht je zur Hälfte nach Basel und nach Genf, die Tissot-Medaille erhält Dr. Günter Krämer.

(Zürich/Basel) Junge Menschen mit Absence-Epilepsie kämpfen im späteren Leben oft mit Nachteilen: Sie erreichen durchschnittlich weniger hohe Schulabschlüsse, auch im Vergleich zu Jugendlichen mit anderen generalisierten Epilepsieformen. Während diese Epilepsieform bei Kindern mehrfach untersucht wurde, gab es bisher keine Studien zu den genauen Ursachen solcher Defizite im Jugendalter.

Martina Hubacher

Das ändert Dr. Martina Hubacher derzeit mit ihrer Untersuchung am Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB), die sie nun mit Hilfe des Forschungs-Förderungspreis der Epilepsie-Liga abschliessen kann. Durch ausführliche neuropsychologische und bildgebende Untersuchungen an betroffenen Jugendlichen, ihren gesunden Geschwistern und weiteren gesunden Jugendlichen will Hubacher die relevanten Faktoren erfassen und miteinander in Verbindung bringen. Weil sich das Gehirn nachts im Schlaf regeneriert, erfasst die Studie auch die Schlafqualität der Teilnehmer.

«Wir wollen damit die Grundlage schaffen, um in Zukunft Jugendliche mit Absencen gezielter zu unterstützen, zu fördern und ihre Chancen für ein erfolgreiches Bestehen im Erwachsenenalter zu erhöhen», sagte Hubacher.

Die Auszeichnungen werden im Rahmen der 11. Jahrestagung der Schweizerischen Epilepsie‐Liga mit den Deutschen und Österreichischen Gesellschaften für Epileptologie verliehen («Dreiländertagung»), die vom 8. bis 11. Mai 2019 in Basel stattfindet. Es handelt sich um den wichtigsten deutschsprachigen Epilepsie-Kongress mit voraussichtlich über 1000 Teilnehmern.

Der Promotionspreis der Epilepsie-Liga wird in diesem Jahr zwischen zwei Preisträgern geteilt.

Eine Hälfte des Preisgelds erhält Dr. Laurent Sheybani in Genf für seine Dissertation mit dem Thema «Large-scale epileptic network in a mouse-model of temporal lobe epilepsy». In seiner aufwändigen experimentellen Dissertationsarbeit untersuchte er in einem Mausmodell die wichtigsten Netzwerk-Charakteristika bei einer der häufigsten Epilepsieformen, der Temporallappen-Epilepsie. Er konnte zeigen, dass sich unabhängig vom Epilepsieherd weitere epileptische Aktivität im Hirn messen lässt. Hat sich ein solches Netzwerk einmal etabliert, bleibt es auch dann aktiv, wenn der eigentliche Herd entfernt wurde.

«Diese Arbeit wird in Zukunft helfen, die Erfolgsaussichten einer Epilepsie-Operation noch besser einzuschätzen», sagt der Präsident der Epilepsie-Liga, Prof. Dr. Stephan Rüegg vom Universitätsspital Basel.

Die zweite Hälfte des Preises geht nach Basel: Dr. med. Katharina Gruntz hat in ihrer Doktorarbeit das Risiko von Parkinson-Patienten untersucht, Epilepsie zu entwickeln. Seit langem hegten Mediziner die Vermutung, ein Parkinson-Syndrom würde vor Epilepsie «schützen». Die gründliche epidemiologische Analyse ergab das Gegenteil – das Epilepsie-Risiko ist sogar erhöht.

«Die Studie überzeugt durch die Klarheit der Hypothese und die statistische Herangehensweise an die grosse Patientenzahl. Warum hat das nicht schon längst jemand ausgewertet?», fragt Laudator Prof. Dr. Johannes Sarnthein vom Universitätsspital Zürich, Mitglied der Forschungskommission. «Diese Erkenntnisse haben einen unmittelbaren Einfluss auf die Betreuung von Patienten mit Parkinson-Syndrom», sagte ihr Betreuer Stephan Rüegg, der innerhalb der Forschungskommission für die Bewertung seiner Dissertandin in den Ausstand trat.

Der Promotionspreis der Schweizerischen Epilepsie-Liga wird alle drei Jahre vergeben und ist mit 1000 Franken dotiert.

Die Tissot-Medaille für besondere Dienste für die schweizerische Epileptologie geht in diesem Jahr an Dr. Günter Krämer, Zürich. Er war von 1994 bis 2018 Vorstandsmitglied und von 2001 bis 2016 Präsident der Liga (bis 2016: Schweizerische Liga gegen Epilepsie). Vor seiner jetzigen Tätigkeit in einer großen Zürcher Praxis war er von 1994 bis 2013 Medizinischer Direktor des Schweizerischen Epilepsie‐Zentrums in Zürich.

Die Tissot-Medaille hat ihren Namen von dem Schweizer Arzt und Volksgesundheitsschriftsteller Samuel Auguste Tissot (1728-1797), der das erste moderne Lehrbuch über Epilepsie überhaupt veröffentlichte. Sie wird seit 2007 alle zwei Jahre verliehen.

Preisverleihungen

Tissot-Medaille: Mittwoch, 8.5.2019, 13.45 Uhr

Forschungs-Förderungspreis: Donnerstag, 9.5.2019, ca. 10.15 Uhr im Rahmen des Präsidentensymposiums

Promotionspreis: Freitag, 10.5.2019, im Rahmen des Symposiums der Jungen Epileptologen (10.00‑12.00 Uhr)

Journalisten sind nach vorheriger Anmeldung willkommen.

Die Publikationen zum Promotionspreis:

Sheybani L et al. Electrophysiological Evidence for the Development of a Self-Sustained Large-Scale Epileptic Network in the Kainate Mouse Model of Temporal Lobe Epilepsy. J Neurosci. 2018 Apr 11;38(15):3776-3791.

Sheybani L et al. Large-Scale 3-5 Hz Oscillation Constrains the Expression of Neocortical Fast Ripples in a Mouse Model of Mesial Temporal Lobe Epilepsy. eNeuro. 2019 Feb 12;6(1).

Gruntz K. Parkinson disease and the risk of epileptic seizures. Ann Neurol. 2018 Feb;83(2):363-374.