Laut einer aktuellen Bevölkerungsbefragung befürwortet die grosse Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer die berufliche Integration von Epilepsiebetroffenen, und nur wenige äussern Vorurteile. Allerdings haben die Ängste seit der letzten Befragung von 2011 zugenommen, und im Wissen zu Epilepsie zeigen sich grosse Lücken.

 

(Zürich) Stellen Sie sich vor, jemand hat in Ihrer Gegenwart einen epileptischen Anfall. Wären Sie hilflos? 55% der befragten Schweizer sagt ja – deutlich mehr als in einer vergleichbaren Befragung von 2011 (41%). Beide Umfragen hat die Schweizerische Epilepsie-Liga in Auftrag gegeben, um Einstellungen zu Menschen mit Epilepsie sowie Wissen über diese häufige Erkrankung in der Schweiz zu erfahren.

Die Ängste nehmen zu, die Kenntnisse eher ab: Weniger als die Hälfte der Menschen in der Schweiz weiss nach eigenen Angaben, was bei einem epileptischen Anfall zu tun ist. Die grössten Wissenslücken bestehen zu den Behandlungsmethoden von Epilepsie. Nur die Hälfte weiss überhaupt, dass Epilepsie erfolgreich behandelt werden kann.

Viele fürchten sich vor einem Anfall oder einer Verletzung in ihrer Gegenwart, aber nicht nur das: Auffällig ist die gewachsene Sorge um eigene Kinder. Jede/r Siebte (15%) hätte etwas dagegen, dass ihr Kind in der Schule oder beim Spielen mit Kindern zusammenkommt, die manchmal epileptische Anfälle bekommen. Vor sieben Jahren waren es nur 4%.

Arbeiten mit Epilepsie: Kein Problem

Doch gibt es auch gute Nachrichten: 93% der Schweizer befürwortet die Eingliederung von Menschen mit Epilepsie in den Arbeitsprozess – im 2011 waren es nur 84%. Nur eine kleine Minderheit äussert negative Gefühle gegenüber Epilepsiebetroffenen wie „belustigt“ oder „genervt“. Mehr als drei Viertel der Befragten zeigen keinerlei soziale Distanz nach der sogenannten „Angermeyer-Skala“ mit sechs Fragen zum Thema – zum Beispiel sehen sich 90% „bestimmt“ oder „eher“ bereit, jemanden mit Epilepsie durch Heirat in die Familie aufzunehmen. Umgekehrt haben immerhin 13% Bedenken, eine Person mit Epilepsie als  Untermieter aufzunehmen oder für eine Arbeitsstelle zu empfehlen.

Zeitgleich fanden identische Befragungen in Deutschland und Österreich statt. Die Unterschiede zu den Nachbarländern sind gering, allerdings äussern Deutsche und Österreicher mehr soziale Distanz und zeigen sich etwas weniger offen für eine berufliche Eingliederung. Auch zwischen den einzelnen Schweizer Landesteilen gibt es wenig Unterschiede. Wie schon 2011 drücken Jüngere das grösste Bedürfnis nach Distanz aus und haben häufiger Vorurteile.

„Für unsere Öffentlichkeitsarbeit bleibt noch viel zu tun, um möglichst vielen Menschen das Wichtigste über Epilepsie zu vermitteln und die soziale Distanz zu verringern“, kommentiert der Präsident der Epilepsie-Liga, Prof. Dr. med. Stephan Rüegg, das Ergebnis.

Zur Befragung: Die Firma Interrogare führte im Auftrag der Schweizerischen Epilepsie-Liga und in Absprache mit der Deutschen und der Österreichischen Gesellschaft für Epileptologie im Juni 2018 eine repräsentative internetbasierte Befragung durch. Befragt wurde die Bevölkerung der Schweiz im Alter von 16 bis 83 Jahren auf Deutsch und Französisch.

Insgesamt nahmen 1060 Personen an der Befragung teil; davon hatten 1016 zuvor von Epilepsie gehört oder gelesen, nur diese Antworten wurden ausgewertet. Die Daten wurden gemäss offiziellen Statistiken gewichtet. Trotz unterschiedlicher Erhebungsmethoden (2011 telefonisch, 2018 online) lassen die gleichartigen Fragen Vergleiche zu.